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Die isländische Band Maus: Musick

von Michael Hopp am 02.11.2004

Was macht der Musikkritiker, wenn er etwas über eine seiner Meinung nach fantastische Produktion schreiben will, die es aber in Deutschland noch nicht gibt? Er lässt es entweder ganz bleiben, oder er nimmt den kleinen, trickreichen Umweg über die betreffende Band zu schreiben und diese CD "so ganz zufällig" mit einfließen zu lassen. Ich gebe offen zu, ich habe mich für Letzteres entschieden – also, bitte keine bösen e-mails nach dem Lesen dieses Artikels. Oder stöbert selbst im Internet, ich habe jedenfalls keine Plattenfirma oder einen Importhändler in Deutschland gefunden – allerdings, war ich ja auch clever und habe mir die CD schon in Reykjavik gekauft.

Fangen wir also endlich mit der Geschichte von "Maus" an (der Name bezieht sich auf eine Comicfigur des Grafikers Art Spiegelman). Was machen heranwachsende Jungen, die in Árbaer, einem Vorort von Reykjavik aufwachsen, der nichts anderes zu bieten hat, als den größten Wohnblock des Landes? Entweder sie hängen ab, oder sie beschließen eine Band zu gründen. Die vier Freunde, Birgir Örn Steinarsson (Biggi), Eggert Gislason, Páll Ragnar Pálsson (Palli) und Daniel Thorsteinsson (Danni) fassten 1993 den weisen Entschluss, letzteres zu tun. Zum Glück für den Musikfan, dem sonst einiges entgangen wäre.

Nach einem Jahr waren die Vier schon so selbstbewusst, an Islands größtem Bandwettbewerb ("Músiktilraunir") teilzunehmen, schlugen 29 andere Gruppen aus dem Weg und gewannen den ersten Preis: besseres Bandequipment und vor allem die Berechtigung Aufnahmen in einem Studio zu machen. Da waren sie alle gerade erst 18. Es entstand die Produktion "allar kenningar heimsins...og ogn meira" (1994).

Unterbrochen von einigen kurzen Auftritten auf dem europäischen Festland wurde 1995 die zweite Produktion "Ghostsongs" verwirklicht. Leider am Markt vorbei, den das Publikum war noch nicht reif für die Mischung aus Punk und isländischer Folklore .

Der Durchbruch kam im November 1997 mit der CD "lof mér ad falla ad thinu eyra" (Let me caress you ears). Dafür erhielt "Maus" 1998 den Music Award als beste Band.

Es folgten zahlreiche Live-Auftritte sowie zwei kurze Tourneen durch Skandinavien, bevor man 1999 die nächste Studioproduktion anging. Es entstand "i thessi sekúndubrot sem ég flýt" (The short seconds I keep afloat). Sämtliche Songs wurden, da die Band mittlerweile auch im Ausland Interesse fand, auf isländisch und englisch aufgenommen. Zwar stellte sich nicht der ganz große Erfolg wie bei "Let me caress you ears" ein, immerhin fielen noch zwei Music Awards für die besten Texte und den besten Drummer ab.

2000 startete "Maus" dann endgültig durch. Eine USA-Tournee mit Auftritt beim CMJ-Festival in New York, Konzerte mit "Kent", Ian Brown und der "Bloodhound Gang", Artikel im "Rolling Stones". Zwischen diesen ganzen Aktivitäten bereitete man das neue Album vor, tourte mit "Modest Music" und "Blonde Redhead", zwei kurzlebigen, aber damals angesagten amerikanischen Alternativ-Bands.

Es sollte bis 2003 dauern bevor die neue Produktion "Musick" auf den Markt kam, aufgenommen im "Das Studio" von Topspin Music. Grund für die lange Dauer war auch, das die Band plötzlich feststellte über einen "Vorrat" von 30 Songs zu verfügen, doch etwas zu viel. Schließlich hatte man elf Aufnahmen aussortiert, die für würdig befunden wurden auf dem neuen Album zu erscheinen.

Mit "Musick" haben "Maus" den wohl bisher größten Schritt in ihrer musikalischen Entwicklung gemacht. Birgir’s Gesang harmoniert fantastisch mit klar strukturierten Gitarren-Riffs, überraschende, faszinierende Drum-Linien. Minimalismus und Power überraschen den Hörer immer wieder. Ein kleines Meisterwerk. Über allen steht der Song "Life in a fishbowl", ein absoluter Ohrwurm, voller Imagination. Es spricht nicht gerade für die deutsche Musikbranche, dass diese Produktion anscheinend als nicht gut genug für den hiesigen Markt befunden wurde.

Und dieses Jahr: "Musick" ist in Island die meistverkaufte Alternative-Rock CD. Die Band wurde für zwei weitere Music Awards nominiert. Bestes Album und bestes Video ("My favourite excuse"). Im Februar tourte man mit "Rasmus”, im Juni mit "Placebo”. Die Jungen können beruhigt in die Zukunft schauen. Ein kleines Trostpflaster zum Schluss: Einige der Songs von "Musick" kann man auf ihrer Homepage hören.


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